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Johann Dominik Maas unterhielt in Lutzerath eine Auswandereragentur. Dazu erschien in der Chronik Lutzerath der folgende Artikel:

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Hans Möhrer / Christoph Vratz / Stefan Maas

Auswanderungen im 19. Jahrhundert und die Stellung Lutzeraths

 

Das Phänomen ‘Auswanderung’ ist eines der zentralen Themen im Deutschland des 19. Jahrhunderts und insbesondere in den Regionen von Bedeutung, deren Entwicklungen und Strukturveränderungen dadurch z.T. bis heute entscheidend geprägt wurden. [1] Vor allem in diesem Zusammenhang erfährt die Eifel, die historisch wie künstlerisch lange Zeit stiefmütterlich behandelt worden ist, eine besondere Beachtung, da sich die Auswanderungsproblematik gerade hier recht umfassend dokumentieren läßt[2], wobei im folgenden namentlich die Rolle Lutzeraths im Vordergrund stehen soll.

Vorweg sollen einige Anmerkungen über Beginn und Gründe der Auswanderungsbewegungen helfen, die Lebensbedingungen und -gewohnheiten mit Beginn des 19. Jahrhunderts einzuordnen. Bereits im 18. Jahrhundert sind vereinzelte Auswanderungen nach Amerika zu verzeichnen (meist in größeren Gruppen), denen jedoch angesichts der sprunghaft steigenden Auswanderer-Zahlen in den Jahren 1816/17 nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Die Lebensgrundlage der zumeist bäuerlichen Familien bildeten fast ausschließlich die Erträge der Landwirtschaft: „Die Familie konsumierte nur das, was sie selbst erzeugte. Zur Ergänzung des Lebensunterhaltes praktizierte man den Naturalaustausch.“[3] Im Zuge der Industrialisierung jedoch stellte sich ebenso rasch wie deutlich heraus, daß technische Neuerungen und die wachsende Urbanisierung zu einer Isolation der Landbevölkerung führten, auf die zu reagieren man sich nicht in der Lage sah. Es ist also neben der kulturell-technischen Dynamisierung ein Wachstum an Armut zu verzeichnen, das durch punktuelle Maßnahmen nicht aufzuhalten war und Auswanderungsbewegungen immer populärer werden ließ. Weitere Gründe seien in aller Kürze genannt: 1. die Folgen der Kriegswirren um Napoleon, 2. Mißernten, 3. Unzulänglichkeiten des sozialen Systems (fehlender Versicherungsschutz etc.), 4. zunehmende Teuerung, 5. „die schlechten Aussichten der heranwachsenden Kinder auf eine sichere Existenz“ und 6. der „allgemeine Mangel an Arbeit und Verdienst und die [...] genährte Furcht vor endlicher gänzlicher Verarmung“[4].

Die Fremde wurde somit immer mehr zum Symbol für das Unbekannte und Verlockende, zum Anziehungspunkt für all das, was man in der Heimat entbehren mußte.[5] Die Hoffnungen auf einen erfolgreichen Neuanfang waren stärker als der Glaube an die Verbesserung der Verhältnisse im eigenen Land. Zwischen 1840 und 1847 verließen offiziell 803 Auswanderer den Kreis Cochem.[6] Die Summe aller Auswanderer aus den Eifelkreisen betrug während dieser acht Jahre 6550, von denen allein die Hälfte aus den Kreisen Adenau und Daun stammte. Auch nach der Revolution 1848 konnte die staatliche Autorität die Zahl der Auswanderungen nicht verhindern.

Um die Auswanderung aber entsprechend planen und durchführen zu können, bedurfte es von offizieller und verwaltungstechnischer Seite[7] einer ‘Kontrollinstitution’, die das praktische Verfahren mit Korrespondenzen und Buchungen organisierte und genehmigte. Diese Tätigkeiten wurde von Agenten übernommen, die „für den Auswanderungswilligen jederzeit erreichbar waren. Sie beantworteten Fragen, gaben Informationen und planten die Reise bis zum Zielort.“[8] Die Agenten, deren Zahl auch im Sinne des Gesetzgebers überschaubar bleiben sollte, waren befugt, bei Bedarf Unteragenten einzustellen, die jedoch keine Grundvergütung erhielten.[9]

Eine dieser Hauptagenturen namens Johann Caesar befand sich in Neuwied[10], die für die Kreise Cochem, Zell und Adenau den Gastwirt und Gerichtsschreiber Johann Dominik Maas[11] in Lutzerath als Unteragenten eingesetzt hatte. Außerdem waren - wenn auch geschäftlich von geringerer Bedeutung - der „Bäcker und Holzhändler Georg Schmalbach aus Bertrich, der Gastwirt und Krämer Richard Schneider aus Ulmen“[12], Samuel Kaufmann und der Gutsbesitzer Trapet (beide Lutzerath) als Unteragenten tätig. Die ersten Auswanderungen datieren aus dem Jahre 1827[13], wozu sich eine Gruppe von zwölf Familien gemeldet hatte, darunter aus Driesch die Familien Johann Schwarz, Kaspar Schneider, Peter Conradi sowie Christian Fischer und aus Lutzerath die Familien Johann Keller und Peter Josef Maas. Hinzu kamen je zwei Auswanderer-Familien aus Weiler und Kennfus bekannt sowie je eine aus Beuren und Bertrich. Diese Gruppe reiste nicht nach Nordamerika, sondern nach Brasilien, eine Reise, wofür sie 70 Tage brauchten und 120 rheinische Gulden (pro Erwachsener) bzw. 60 (für Minderjährige über zwölf Jahre) gezahlt hatten.[14] Während die Ankunft der Emigranten als gesichert gilt, ist über den weiteren Verbleib der Familien nichts Schriftliches überliefert.

Die erste Auswanderungswelle in Richtung Nordamerika zeichnete sich um 1839 ab (zwischenzeitlich ist keine weitere Auswanderung in der „Bürgermeisterei Lutzerath“ belegt[15]). Vermutlich sind Briefe von bereits ausgewanderten Personen (die noch nicht einmal direkt aus der Eifel stammten) dafür Anlaß gewesen, die über neuerworbenen Wohlstand berichteten und die eine so große mündliche Verbreitung erfuhren, daß auch in Lutzerath und Umgebung der Wunsch nach verbesserten Lebenskonditionen konkrete Formen annehmen sollte.

„Die Briefe, die die Siedler oft in Form von Jahresabschlußberichten verfaßten, gaben Zeugnis von den Lebensumständen im fernen Land [...] Sie zeichneten zugleich ein Bild von den Zuständen, mit denen die Ausgewanderten in der neuen Heimat fertig werden mußten. Die private Korrespondenz berichtete über den Standard des Ackerbaus und der Viehzucht, fächerte die Produktvielfalt auf, lieferte minutiöse Beschreibungen der Preise und Löhne und öffnete damit ein Fenster zu einer nie zuvor erahnten Welt.“[16]

Die harten Konzessionsbedingungen der Hauptagenten hatten auch für die Unteragenten Bedeutung: „Die Bedingungen für die Zulassung zu diesem Gewerbe waren in allen deutschen Ländern im wesentlichen der Nachweis der Staatsangehörigkeit, eines guten Leumunds und einer soliden finanziellen Geschäftsbasis.“[17] Johann Dominik Maas[18] galt als „durchaus ehrlicher und anständiger Geschäftsmann“, u.a. wegen des Hotelbetriebes, „der die Auswanderer nicht ausbeutete“[19]. Eine von Maas’ Aufgaben war die Kontrolle, daß jeder Auswanderungskandidat ein Gespräch mit dem Bürgermeister geführt hatte, das allgemein als „Verwarnungsprotokoll“ galt:

„Es wurde ihnen <den Kandidaten> vorgehalten. daß es zu den allerverderblichsten Entschlüssen gehöre, den heimatlichen Boden mit einem fernen Weltteil zu vertauschen, dessen Sprache, Sitten und Gebräuche ihnen unbekannt seien. In Amerika würden sie auf weite Entfernungen oft weder Kirche noch Schule noch einen Pfarrer katholischen Glaubens vorfinden. Es sei ferner erwiesen, daß viele Auswanderer durch falsche Vorspiegelungen über die Verhältnisse drüben getäuscht worden seien, so daß scharenweise diese Auswanderer aus Amerika hilflos in verarmtem Zustande und bettelnd zurückgekommen seien.“[20]

Dieser Abschnitt zeigt einerseits deutlich, wie wenig man damals vom anderen Land wirklich wußte, andererseits wie groß die Sorge war, daß in einer fremden Region der heimatliche Kanon an Wertvorstellungen und Erziehungs­idealen - hier zusammengefaßt in den Komponenten Schule und Glaube - ernsthaft bedroht sei.

Dennoch läßt sich festhalten, daß diese Appelle des Bürgermeisters eher formale Zwecke erfüllten als daß sie das Vorhaben der Bevölkerung stoppen konnten. In Lutzerath ist lediglich ein einziger Fall bekannt, daß sich jemand freiwillig von seinem Entschluß abbringen ließ: Wilhelm Maurer zog am 17. Februar 1843 seinen Antrag zurück. Häufiger sind die Fälle, bei denen der Auswanderungsbewerber die notwendigen Bedingungen nicht erfüllen konnte: 1. Nachweis über die Zahlung des Reise- bzw. Ãœberfahrtsgeldes, 2. Beleg eines Steuereinnehmers über die ordnungsgemäße Zahlung aller Steuergelder, 3. Zusicherung der Bereinigung aller Ã¶ffentlichen Verpflichtungen (so etwa wurde Matthias Theisen aus Büchel die Ausreise im Februar 1844 verweigert, weil er noch einen Prozeß führte), 4. Attest des Friedensgerichts (damals ansässig in Lutzerath, ebenfalls im Haus Maas), aus dem hervorgehen mußte, daß der Auswanderer keine Vormundschaft führte, 5. Bescheinigung der Kreisersatzkommission, daß der Auswanderer sich nicht militärischen Verpflichtungen entziehen wollte.[21]

Die Reisen von Lutzerath führten über Antwerpen, Bremen, Hamburg, Le Havre, Liverpool oder Rotterdam nach New York in erster Linie, doch auch nach New Orleans, Philadelphia, Buenos Aires, Montevideo, Sidney und Melbourne (vgl. Anzeige aus der Cochemer Zeitung vom 3. Januar 1872). Hervorzuheben ist auch die Reise der Tagelöhner Anton Geises aus Kennfus und Jakob Pung sowie Peter Jakobus aus Lutzerath, die nach St. Thomas in Guatemala aussiedelten.[22]

Die Unteragentur Johann Dominik Maas’ schloß im Jahre 1877, was insofern signifikant für die Gesamtentwicklung ist, als um 1880 die Auswanderungswelle abebbte zugunsten einer Binnenwanderung in die rheinisch-westfälischen Industriegebiete, wo Kohle und Eisen neue Verdienstperspektiven eröffneten.


[1]    Vgl. u.a.: Moltmann, Günter (Hg.): Deutsche Amerikaauswanderung im 19. Jahrhundert. Sozialgeschichtliche Beiträge. Stuttgart 1976. Marschalck, Peter: Deutsche Ãœberseewanderung im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur soziologischen Theorie der Bevölkerung.Stuttgart 1973. Walker, Mack: Germany and the Emigration. 1816-1885. Cambridge 1964. Für diesen und andere Hinweise sei ganz herzlich gedankt Herrn OSTD i.K. Werner Mainz, Wipperfürth.

[2]    Graafen, Richard: Die Aus- und Abwanderung aus der Eifel in den Jahren 1815 bis 1955. Eine Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung eines deutschen Mittelgebirges im Zeitalter der Industrialisierung. Bad Godesberg 1961 (Forschungen zur deutschen Landeskunde, Bd. 127). Scheben, Joseph: Eifler Amerikaauswanderung im 19 . Jahrhundert. In: Rheinische Vierteljahresblätter 4 (1932), S. 258-277. Vgl. auch: Wacker, Reinhold: Das Land an Mosel und Saar mit Eifel und Hunsrück: Strukturen und Entwicklungen 1815-1990. Trier 1991.

[3]    Doering-Manteuffel, Sabine: Die Eifel. Geschichte einer Landschaft.Frankfurt/M., New York 1995, S. 61.

[4]    Mergen, Josef: Von der Eifel nach Nord-Amerika. In: Eifeljahrbuch 1973, S. 35-41, hier: S. 36f.

[5]    Vgl. häufig metaphorisch verwendete Formulierungen wie: „Im Wartesaal zum großen Glück“. In: Kügeler, Dietmar: Die Deutschen in Amerika. Die Geschichte der deutschen Auswanderung in die USA seit 1683. Stuttgart 1983, S. 86ff.

[6]    Graafen (1961), S. 45.

[7]    Als Quellen-Anthologie einiger Behörden-Texte sei verwiesen auf: Reese, Armin (Hg.): „Alle Menschen sind dort gleich“. Die deutsche Amerika-Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1988 (Historisches Seminar, Bd. 10), S. 77ff.

[8]    Bretting, Agnes/ Bickelmann, Hartmut: Auswanderungsagenturen und Auswanderungsvereine im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 1991 (Von Deutschland nach Amerika. Zur Sozialgeschichte der Auswanderung im 19. u. 20. Jahrhundert, Bd. 4), S. 30.

[9]    Ebd., S. 68.

[10]   Schönhofen, Werner: Auswandereragenten. In: Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde Ulmen v. 7.11.1987, S. 3.

[11]   Vgl. Möhrer, Hans: Vom Erlöschen der Kerze zur modernen Gastronomie. Das Hotel Maas und die wiedergefundene Zeit. In diesem Band S. XX-XX [bitte ergänzen].

[12]   Schönhofen (1987), S. 3.

[13]   Diese und die folgenden Angaben basieren auf: Ham, H. van: Die Auswanderungschronik des Eifelamtes Lutzerath. Nach Bürgermeistereiakten des XIX. Jahrhunderts. In: Paulinus-Kalender 1934, S. 44-49. Für den Hinweis sei Herrn Bernhard Heinzen, Weiler, gedankt.

[14]   Dabei entsprach 1 rh. Gulden ca. 288 Denaren (Pfg.). Zu Währungen vgl.: Mertes-Kolverath, Erich: Währungen in der Eifel. Eine kurze Einführung in die Geldgeschichte. In: Eifeljahrbuch 1992, S. 109-114, besonders: S. 114.

[15]   Vgl. entsprechende Akten im Landeshauptarchiv Koblenz (LHA Ko, 655; 117, Nr. 245, 250, 252, 672).

[16]   Doering-Manteuffel (1995), S. 163.

[17]   Bretting/ Bickelmann (1991), S. 34.

[18]   Von einem seiner Enkel (mit Namen ebenfalls Domonik) ist bekannt, daß ihm die Auswanderung angeraten worden war. Auf der Reise nach Amerika geriet er unter einen Reisezug, wobei er ein Bein verlor; aus diesem Grund fand er Anstellung in einem Tabakwarengeschäft, die ihm eine sitzende Tätigkeit ermöglichte.

[19]   Ham (1934), S. 45.

[20]   Ebd., S. 46. Zu Heimkehrern vgl.: Folz, Winfried: Pfälzer Rückwanderer aus Nordamerika. Schicksale, Motive, Reintegration. Mainz 1992 (Studien zur Volkskultur in Rheinland Pfalz, Bd. 13).

[21]   Ham (1934), S. 47.

[22]   Zur allgemeinen Bevölkerungsentwicklung in der hiesigen Region: Statistik von Rheinland-Pfalz. Die Bevölkerung der Gemeinden in Rheinland-Pfalz 1815-1950. Hg. v. Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz. Aachen 1954.